Sie möchten Ihre Immobilie verkaufen, haben im Rahmen einer Erbschaft ein Haus oder Eigentumswohnung vermacht bekommen oder möchten aus Ihrer Immobilie Kapital freisetzen? In diesen Fällen ist die professionelle Ermittlung des Immobilienwerts sinnvoll.
In diesem Artikel wird leicht verständlich erklärt, welche Verfahren es in Österreich zur Wertermittlung von Immobilien gibt, welche steuerlichen Folgen bei Vererbung auftreten und wie Sie seriöse Sachverständige erkennen. Am Ende finden Sie praxisnahe Tipps, mit denen Sie typische Fehler vermeiden.
Eine professionelle Wertermittlung lohnt sich vor Verkauf, bei Erbschaften, Scheidungen, Finanzierungen oder wenn Zweifel an der Marktpreis-Einschätzung bestehen. Eine aktuelle, fachlich fundierte Bewertung schafft Klarheit, reduziert Verhandlungsrisiken und ist oft Basis für steuerliche Berechnungen.
In Österreich sind drei standardmäßige Verfahren üblich, um den Verkehrswert einer Immobilie zu bestimmen: Vergleichswertverfahren, Ertragswertverfahren und Sachwertverfahren. Alle Verfahren betrachten Lage, Baujahr, Zustand und Ausstattung — unterscheiden sich jedoch grundsätzlich in ihrer Herangehensweise. Welche Methode sinnvoll ist, hängt vom Immobilientyp und dem Bewertungszweck ab. (Kurzdefinitionen folgen.)
Sofern genügend Vergleichstransaktionen vorliegen, ist das Vergleichswertverfahren die beste Methode. Das gilt vor allem für Eigentumswohnungen und unbebaute Grundstücke, da diese Art von Immobilien leicht miteinander verglichen werden können. Beim Vergleichswertverfahren werden Kaufpreise ähnlicher Objekte (z.B. in der unmittelbaren Umgebung, mit ähnlicher Größe und Ausstattung) herangezogen und systematisch angepasst. Vorteil: relativ einfach und marktnah — Nachteil: benötigt ausreichend Vergleichstransaktionen in der Region.
Zusatzinfo: Die Kaufpreise der Vergleichsliegenschaften stammen in der Regel aus dem Grundbuch, genauer gesagt aus der Urkundensammlung, in der auch der Kaufvertrag hinterlegt ist. Da es sich beim Grundbuch um ein öffentliches Register handelt, kann grundsätzlich jede Person Einsicht in Kaufverträge und andere hinterlegte Urkunden nehmen. Für die Einsicht fallen in Österreich allerdings in der Regel Gebühren an. Der Antrag kann entweder online über die Justiz-Website oder persönlich beim zuständigen Bezirksgericht gestellt werden. Im Gegensatz dazu können Grundbuchsurkunden in Deutschland nur mit berechtigtem Interesse eingesehen werden. Der österreichische Immobilienmarkt ist daher um einiges transparenter.
Das Ertragswertverfahren eignet sich vor allem für Anlageobjekte, bei denen die Rendite im Vordergrund steht (z. B. vermietete Wohnhäuser oder Renditewohnungen). Hier werden die künftig erzielbaren Mieterträge kapitalisiert. Dieses Verfahren erfordert fachliche Expertise (z. B. bei der Wahl von Liegenschaftszinssatz und Bewirtschaftungskosten).
Das Sachwertverfahren wird meistens für die Bewertung von Einfamilienhäusern verwendet und ist insbesondere dann sinnvoll, wenn es kaum Vergleichsobjekte gibt (z. B. Sonderbauten, individuell gestaltete Häuser). Grundstücks- und Gebäudewert werden separat berechnet und zusammengerechnet. Achtung: Dieses Verfahren spiegelt meist Herstellungs- bzw. Wiederbeschaffungswerte und kann vom tatsächlich erzielbaren Marktpreis abweichen. Es ist daher sinnvoll, am ermittelten Sachwert eine entsprechende Marktanpassung vorzunehmen, etwa wenn relevante Vergleichstransaktionen verfügbar sind.
Titel wie „Immobiliengutachter“ sind nicht geschützt — Qualifikation zählt. Wählen Sie einen allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten Sachverständigen, wenn Sie ein rechtsverbindliches Gutachten benötigen (z. B. für Behörden, Gerichte oder im Streitfall). Diese Fachpersonen sind in der offiziellen Gerichtssachverständigenliste (sdgliste.justiz.gv.at) eingetragen und haben ein strenges Zertifizierungsverfahren nach dem Sachverständigen- und Dolmetschergesetz (SDG) durchlaufen.
Voraussetzungen sind unter anderem:
Nachweis umfassender Sachkunde und mehrjähriger einschlägiger Berufserfahrung
Kenntnisse im Verfahrensrecht, in der Gutachtenerstellung und im Sachverständigenwesen
Geeignete Ausstattung für die Gutachtertätigkeit
Geordnete wirtschaftliche Verhältnisse
Eine Haftpflichtversicherung
Diese Zertifizierung stellt sicher, dass nur qualifizierte, integre und zuverlässige Experten im Auftrag von Gerichten arbeiten – was für Auftraggeber ein hohes Maß an Rechtssicherheit bedeutet.
Freie Sachverständige (Privatsachverständige) sind für Markt- und Verkaufseinschätzungen oft ausreichend und günstiger — ihr Gutachten ist aber nicht gerichtsfest. Prüfen Sie daher im Vorfeld: Ausbildung (Bauingenieur/in, Architekt/in), Referenzen, Tätigkeitseintragungen (z. B. Gerichtssachverständigenliste).
Wenn Sie eine Immobilie geerbt haben, müssen Sie in Österreich seit 1. August2008 keine Erbschaftssteuer mehr bezahlen. Im Falle einer Vererbung einer Immobilie fällt in Österreich jedoch die Grunderwerbsteuer an, die in der Bevölkerung oft noch als Erbschaftssteuer bezeichnet wird. Bei Erbschaften wird als Bemessungsgrundlage meist der Grundstückswert beziehungsweise ein geeigneter Immobiliendurchschnittspreis herangezogen.
Berechnung der Grunderwerbsteuer beim unentgeltlichen Erwerb (Stufentarif): Die gängigen Stufen lauten 0,5 % für die ersten 250.000 €, 2 % für die nächsten 150.000 € und 3,5 % für den darüber hinausgehenden Betrag — diese Staffelung gilt bei unentgeltlichen Erwerben (z. B. Erbschaften). Bei entgeltlichem Erwerb (Kauf) gilt meist der fixe Regelsteuersatz von 3,5 % der Gegenleistung und mindestens in der Höhe vom Grundstückswert. Nähere Informationen zum Steuersatz der Grunderwerbsteuer finden Sie hier.
Wie wird der Grundstückswert konkret ermittelt? Das Finanzamt zieht entweder einen geeigneten Immobiliendurchschnittspreis der Statistik Austria heran (mit einem Abzug — daraus ergibt sich der Grundstückswert), oder es rechnet nach dem sogenannten Pauschalwert-Modell (Formel mit Bodenwert, Nutz- und Grundfläche, Alter, Art der Immobilie). Mit dem Grundstückswert-Rechner des BMF (Bundesministerium für Finanzen) lässt sich der Grundstückswert nach dem Pauschalwertmodell ermitteln. Wenn Sie die resultierende Bemessungsgrundlage für zu hoch halten, können Sie widersprechen und ein externes Sachverständigengutachten vorlegen.
1. Sammeln Sie alle Unterlagen: Grundbuchauszug, Flächenangaben, Grundriss, Energieausweis, Sanierungsbelege. 2. Erstellen Sie eine Faktenliste: Lagebeschreibung, Baujahr, Heizung, Zustand von Dach/Fassade, besondere Mängel. 3. Holen Sie Preisdaten: Lokalpreise (z. B. Statistik Austria) und zwei bis drei Marktvergleiche. 4. Wählen Sie den Gutachter: Freier Sachverständiger für Marktinfos, allgemein beeidigter Sachverständiger für gerichtssichere Gutachten. 5. Klären Sie den Bewertungszweck: Verkauf, Finanzierung, Erbfall — das beeinflusst die Methode und die Detailtiefe.
Die Kosten für ein Wertgutachten variieren stark nach Umfang und Gutachter. Für einfache Marktwertschätzungen beginnen Honorare oft im dreistelligen Bereich; detaillierte, gerichtsfeste Verkehrswertgutachten können deutlich teurer sein. Bei gerichtlichen Gutachten gibt es inzwischen veränderte Vergütungssätze (z. B. Anpassungen 2024/2025), so dass sich die Kostenstruktur verschieben kann. Holen Sie vorab mehrere Angebote ein und lassen Sie sich eine Leistungsbeschreibung (Leistungsumfang, Anfahrtszeiten, Dauer) geben.
Eine solide Wertermittlung ist in vielen Lebenssituationen unverzichtbar — insbesondere bei Erbschaften oder Verkaufsabsichten. Beginnen Sie mit einer dokumentierten Bestandsaufnahme, nutzen Sie öffentliche Preisdaten (Statistik Austria) als Orientierung und entscheiden Sie dann, ob ein freier oder ein gerichtlich zertifizierter Sachverständiger nötig ist.
1) Wann benötige ich ein offizielles (gerichtssicheres) Gutachten? Wenn das Gutachten vor Gericht, für Behörden oder im Erbfall als Nachweis dienen soll, brauchen Sie in der Regel ein Gutachten eines allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten Sachverständigen.
2) Kostet ein Gutachten viel Zeit? Ein einfaches Marktwert-Schätzgutachten kann binnen wenigen Tagen bis Wochen erstellt werden; ein umfangreiches, gerichtsfestes Gutachten braucht meist mehrere Wochen. (Abhängig von Datenlage und Umfang.)
3) Hilft ein Gutachten bei der Steuerberechnung im Erbfall? Ja — ein unabhängiges Gutachten kann dem Finanzamt vorgelegt werden, wenn die vom Amt ermittelte Bemessungsgrundlage (z. B. mittels Immobiliendurchschnittspreis) zu hoch erscheint.
4) Was ist der Unterschied zwischen Verkehrswert und Beleihungswert? Der Verkehrswert ist der zu erwartende Marktpreis; der Beleihungswert ist konservativer und wird von Banken für Kreditentscheidungen genutzt (er liegt meist bei 80% des Verkehrswerts).
5) Wo finde ich aktuelle Vergleichspreise? Öffentliche, aktuelle Daten liefert die Statistik Austria (Immobiliendurchschnittspreise). Zudem nutzen Sachverständige regionale Marktberichte und Transaktionsdaten.
Wenn Sie Kapital aus Ihrer Immobilie freisetzen möchten, müssen Sie diese nicht unbedingt vollständig verkaufen. Gerade im Fall von unerwarteten Sanierungsarbeiten oder sonstigen größeren Anschaffungen kann ein Teilverkauf Ihrer Immobilie möglicherweise die beste Lösung sein. Informieren Sie sich über Ihre Optionen und vereinbaren Sie einen kostenlosen und unverbindlichen Beratungstermin mit einem Immobilienexperten von Bambus.